Unter Glühen versteht man verschiedene Wärmebehandlungen des ungehärteten Stahls. Ihre
Grenzen sind fließend, oft werden kombinierte Verfahren verwendet. Diese führen jedoch eher
zu einer Arbeits- und Zeitersparnis als zu einem besseren Gefüge. Hier kann nur auf die wichtigsten
Glüharten eingegangen werden. Die Wärmebehandlung von Stählen hat sich zu einem
eigenständigen Fachgebiet entwickelt und wird mit sehr genauer Prozessführung, ermöglicht
durch hohen technologischen Aufwand, betrieben. Dies führt besonders bei den höherlegierten
Stählen zu Leistungsverbesserungen.
Mit dem Weichglühen wird der Stahl in einen weichen, speziell für eine spanabhebende Behandlung gut geeigneten
Zustand gebracht. Dazu wird ein groblamellar perlitisches bis globulares Gefüge angestrebt, eventuell
vorhandene Umformspannungen werden ebenso beseitigt.
Dies wird durch ein Erwärmen auf knapp unterhalb von bzw. ein Pendeln um Ac1 erreicht. Nach hinreichend langer
Haltezeit wird langsam bis auf ca. 650°C abgekühlt. Hiernach kann zügiger gekühlt werden, da die beabsichtigten
Umwandlungen bei höheren Temperaturen ablaufen. Eine hinreichend langsame Abkühlgeschwindigkeit wird entweder im
Ofen oder durch eine entsprechende Isolierung, z.B. Asche, gewährleistet.
Während der Zeit knapp unterhalb von Ac1 bilden sich durch Kohlenstoffdiffusion und die Oberflächenspannung des
Zementits zunächst gröbere Lamellen, schließlich kugelige Zementitstrukturen aus. Die im Ferrit eingebetteten
Zementitkugeln werden als globularer, bzw. kugeliger Zementit bezeichnet.
Globulares Gefüge weist eine gute Zerspanbarkeit auf. Die Karbide müssen beim Zerspanen nicht durchtrennt werden. Die fein
verteilten Zementitkugeln lösen sich beim Härten zügiger als perlitische Strukturen, so dass schon nach
kürzeren Haltezeiten eine hinreichende Menge Kohlenstoff in Lösung gegangen ist. Die kurze Haltezeit wirkt
einem Kornwachstum während des Härtens entgegenwirkt.
Um innere Spannungen abzubauen, jedoch keine Änderung des Gefüges hervorzurufen, wird auf ca.
650°C erwärmt und danach langsam abgekühlt. Im Gegensatz zum Weichglühen werden Karbide
hierbei kaum beeinflusst, so dass es zu keiner merklichen Veränderung im Gefüge oder der Härte kommt. Dieses Verfahren läßt sich
nicht auf Stähle im martensitischen oder bainitischen Zustand anwenden.
Dieser Vorgang wird auch als Normalisieren bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein "sanftes" Härten,
wodurch das Korn durch die zügige Gamma-Alpha-Umwandlung verfeinert wird. Es entsteht ein feines,
gleichmäßiges (normalisiertes) Gefüge, so werden z.B. Zeilenbildungen in der Regel aufgehoben.
Der Stahl wird dabei kurzfristig auf etwa 30° bis 50°C oberhalb von Ac3 erhitzt und
dann zügig, jedoch nicht so schroff wie beim eigentlichen Härten, abgekühlt. Längere
Haltezeiten als für die Durchwärmung erforderlich sind weder nötig noch empfehlenswert.
Bei übereutektoiden Stählen wird in der Regel von oberhalb von Ac1 normalisiert.
Bei übereutektoiden Stählen kann auch von oberhalb Acm normalisiert werden.
Dies wird auch als Glühen zum Auflösen des Karbidnetzes bezeichnet. Hierbei wird der
Sekundärzenmentit (Korngrenzenzementit) in Lösung gebracht. Die Gefahr eines unerwünscht starken
Kornwachstums entsteht, sobald der Korngrenzenzemenit in Lösung gegangen ist. Daher empfiehlt sich eine
mechanische Umformung während des zügigen Abkühlens zwischen Arm und
Ar1. Dieses Verfahren wird bei der Herstellung von superplastischen Stählen verwendet.
Oftmals wird mehrfaches Normalisieren durchgeführt, dies sollte jedoch nur im Falle eines extremen
Kornwachstums infolge zu hoher Temperaturen bei der Umformung oder während des Feuerschweißens erforderlich
sein.
Die für das Härten erforderliche Wärmebehandlung wird ausführlicher bei der Gefügeumwandlung beschrieben. Das
Härten auf Bainit wird primär im amerikanischen Raum verfolgt und findet bei mechanisch höher belasteten
Klingen Verwendung.
Vor dem Härten sollte der Stahl auf ein feines, globulares Gefüge gebracht werden. Bei der dafür erforderlichen
Wärmebehandlung sollte zuerst normalisiert (entweder mit der letzten Schmiedehitze oder durch einen eigenen Zyklus)
und daran anschließend weichgeglüht werden. Bedingt durch Zementit oder entsprechende kornverfeinernde
Legierungszusätze wird beim Weichglühen kein signifikantes Kornwachstum stattfinden.
Das Anlassen wird nach dem martensitischen Härten erforderlich. Hierbei wird tetragonaler Martensit in den zäheren
kubischen Martensit überführt, wobei es bei übereutektoiden Stählen durch Ausscheidungsprozesse zu
einer weiteren Härtesteigerung (Sekundärhärte) kommen kann. Durch den Anlassprozess
werden ebenfalls innere Spannungen abgebaut, so dass beim Abkühlen auf Temperaturen unterhalb des Martensitpunktes
der verbleibende Restaustenit weiter in Martensit umgewandelt wird. Um auch den neu entstandenen
Martensit in kubischen Martensit zu überführen, sollte in mehreren Zyklen anlassen werden.
Dadurch wird ebenfalls in gewissem Maße der Anlasssprödigkeit entgegengewirkt.
Beim Anlassen auf etwa 250° bis 300°C kommt es zur Anlasssprödigkeit, gekennzeichnet durch eine Abnahme
in der Zähigkeit und der Härte. Dieser Bereich ist durch eine bläuliche Anlassfärbung erkennbar
und wird daher oft als Blausprödigkeit bezeichnet.
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